Warum ist es wichtig, den eigenen Schmerz anzunehmen?
Es ist in der Tat eine grosse Herausforderung, sich den schmerzlichen Erfahrungen nicht zu verschliessen. Wollen wir nicht alle auf der Sonnenseite des Lebens stehen? Sind Sie nicht auch auf der Suche nach Glück und Wohlbefinden? Möchten Sie nicht auch die manchmal so heftigen Erfahrungen von Schmerz, Verlust, oder Scham über die eigene Unvollkommenheit aus Ihrem Leben weghaben? Sich dann am liebsten unter der Decke verstecken und nicht mehr auftauchen? Oder machen Sie sich selber Vorwürfe und glauben, dass Sie gewisse Dinge im Leben einfach nie schaffen werden? Oder machen Sie andere/s verantwortlich für Ihr Befinden und Ihr Wohlergehen?
Wir Menschen mögen schwierige und schmerzhafte Erfahrungen nicht und versuchen, wo immer möglich, sie zu vermeiden. Das ist ein gesundes und ganz normales Verhalten. Es ist für niemanden angenehm, Scham zu erleben, Fehler zu machen, zu versagen, in Konflikte verwickelt zu sein oder Verluste zu erleben. Diese schmerzhaften und harten Erfahrungen des Lebens können bedrohlich sein und wir alle versuchen, uns mit mehr oder weniger erfolgreichen Strategien vor Schmerz und Ungemach zu schützen. Die meisten Schutzstrategien funktionieren kurzfristig recht gut. Sie können uns tatsächlich helfen, mit Gefahr, Bedrohung oder nicht idealen Lebensbedingungen umzugehen. Längerfristig erlösen und schonen sie uns aber nicht vor leidvollen Erfahrungen, denn diese gehören zum Leben. Unsere Schutzstrategien sind manchmal auch wenig hilfreich bis destruktiv, wenn es darum geht, ein erfülltes Leben zu leben, mit sich selbst und anderen verbunden zu sein und für unser eigenes Wohlergehen zu sorgen.
Auf der Suche nach Wohlbefinden und persönlichem Glück kommen wir nicht darum herum zu lernen, mit dem Schmerz und den Schattenseiten des Lebens umzugehen. Um glücklich zu sein, müssen wir auch ja zum Unglücklich-Sein sagen. Leid ist Teil der menschlichen Erfahrung und unausweichlich. Wir alle sind darüber miteinander verbunden und sitzen im gleichen Boot. Leiden entspringt oft einer einzigen Quelle, nämlich, dass sich uns die Realität anders präsentiert, als wir sie haben wollen. Wir sind glücklich und zufrieden, wenn die Wirklichkeit unseren Vorstellungen und Wünschen entspricht. Wenn dem nicht so ist, dann leiden wir mit grosser Wahrscheinlichkeit.
«Warmes, atmendes menschliches Leben ist ein sich ständig entfaltendes Wunder und kein statischer Zustand fehlerloser Gleichförmigkeit.» – Kristin Neff
Unvollkommenheit ermöglicht auch Wachstum und Lernen. Ob uns das passt oder nicht: Wir lernen überwiegend dadurch, dass wir auf die Nase fallen. Es braucht immer wieder viel Mut und eine grosse Bereitschaft, das Wagnis einzugehen, sich Schmerzhaftem zu nähern und sich behutsam dafür zu öffnen. Wenn dies auf eine achtsame, freundliche Weise gelingt, so kann eine mitfühlende Nähe zum Leiden und zu mir selbst entstehen. Selbstmitgefühl ist eine tolle Möglichkeit, um zu beginnen, mit sich selber Freundschaft zu schliessen. Es ist eine wunderbare Erfahrung, in den Stürmen des Lebens sich selbst als Unterstützung zur Seite zu haben.